
Im Morgengrauen über Cortina d’Ampezzo hört man nur das Kratzen der Felle und das gleichmäßige Atmen der Athleten, die sich in die dünne Luft der Dolomiten hinaufarbeiten.
Von außen scheint der Sport einfach – hinauf, hinunter – doch das Wettkampf-Skibergsteigen, oder Skimo, ist ein präzises Zusammenspiel aus Technik, Ausdauer und Mentalstärke.
Aus der Notwendigkeit geboren, sich in schneebedecktem Gelände zu bewegen, hat sich Skimo zu einer modernen, hochintensiven Disziplin entwickelt – und wird bei den Olympischen Winterspielen 2026 in Mailand–Cortina erstmals olympisch.
Von der Überlebenskunst zum Weltsport
Schon vor Jahrhunderten bewegten sich Jäger und Hirten auf Skiern durch die Alpen.
Effizienz war überlebenswichtig: gleiten, steigen, mit minimalem Energieaufwand.
Erst im 20. Jahrhundert wurde daraus ein Sport. Erste Rennen fanden in den Alpen und Skandinavien statt, später folgten militärische Patrouillenrennen – die Vorläufer des Biathlons.
In den 1980er- und 1990er-Jahren entstanden legendäre Wettkämpfe wie die Pierra Menta und das Trofeo Mezzalama.
2008 gründete sich die International Ski Mountaineering Federation (ISMF) – der Beginn einer globalen Sportart.
Cortina 2024: Das moderne Gesicht des Skimo
Beim ISMF-Weltcupfinale 2024 in Cortina d’Ampezzo zeigte sich die Weltelite.
Rémi Bonnet gewann das Vertikalrennen in 24:05,9 Minuten, “einmal mehr Beweis seiner Dominanz in der Vertikaldisziplin”, schrieb Planetmountain.com.
Auch Axelle Gachet-Mollaret glänzte im Individualrennen. Die Fondazione Cortina beschrieb die Sieger als “strahlende Athleten bei den ISMF-Finals”.
Die offiziellen Pressefotos (über cortinaskimocup.com) zeigen das Wesen des Sports: harte Aufstiege, blitzschnelle Wechsel, extreme Konzentration.
Die Kunst der Effizienz
Für das Publikum ist es ein endloser Anstieg.
Für die Athleten ist es eine Bewegungschoreografie.
Die Besten schaffen 1.000 Höhenmeter in weniger als 40 Minuten, entfernen Felle, verriegeln Bindungen, stürzen sich in technische Abfahrten.
Jede Sekunde zählt, jeder Atemzug ist Teil der Taktik.
Materialrevolution: Leichter, schneller, funktioneller
Moderne Ausrüstung definiert den Sport neu.
Dynafits Konzept Speed Up fasst es zusammen: „Weniger Gewicht, mehr Bewegung.“
Ski und Bindungen: ultraleicht, maximal effizient.
Schuhe: flexibel im Aufstieg, stabil in der Abfahrt.
Felle: Hybridkleber, schmal und schnell.
Rennanzüge: mit integriertem Stauraum und Trinksystem.
Pflichtausrüstung: LVS-Gerät, Schaufel, Sonde – unverzichtbar.
Das Gesamtgewicht eines Rennpacks liegt bei 5–6 kg – jedes Gramm entscheidend.
Wettkampfformen und mentale Stärke
Skimo kombiniert Ausdauer, Technik und Strategie.
Der Vertical ist reine Steigung; das Individual verbindet Aufstiege, Abfahrten und Übergänge.
Bei Olympia werden Sprint und Mixed Relay im Mittelpunkt stehen – kurze, intensive Formate mit explosiver Dynamik.
Übergänge zwischen Aufstieg und Abfahrt sind entscheidend. Die Besten üben sie tausendfach, bis sie im Schlaf funktionieren.
Zwischen Berg, Maschine und Geist
Trotz technologischer Perfektion bleibt Skimo ein Dialog mit dem Berg.
Schnee, Wind, Sicht – die Natur diktiert das Tempo.
Schnelligkeit ohne Demut ist hier keine Tugend.
Auf dem Weg zu Mailand–Cortina 2026
Mit der Aufnahme ins olympische Programm erreicht der Sport eine neue Dimension.
Verbände, Marken und Athleten stehen in den Startlöchern – vereint in einer Frage:
Wie schnell kannst du dich mit eigener Kraft durch den Schnee bewegen, wenn der Berg zurückschaut?
Image Credits
Fondazione Cortina / ISMF Press Office / Dynafit Media
(Cortina 2024 World Cup Finals – Vertical & Individual Races)

Skibergsteigen feiert olympisches Debüt in Milano Cortina 2026
Nach Jahrzehnten am Rande des Wettkampf-Wintersports wird Skibergsteigen bei den Olympischen Winterspielen Milano Cortina 2026 sein offizielles olympisches Debüt feiern. Das Internationale Olympische Komitee genehmigte im Juli 2021 einstimmig die Aufnahme von Skimo ins Programm und brachte damit eine Disziplin, die seit den 1930er Jahren in den Bergen ausgetragen wird, in die größte Sportarena der Welt.
Die Wettkämpfe
Das olympische Programm umfasst drei Medaillenentscheidungen: Sprint-Rennen der Männer und Frauen sowie eine Mixed-Staffel. Insgesamt werden 48 Athleten—24 Männer und 24 Frauen—antreten, was dies zu einer der kompaktesten Ergänzungen der Winterspiele der letzten Jahre macht.
Das Sprint-Format besteht aus einem Aufstiegsabschnitt, einem Abschnitt zu Fuß und einem Abfahrtsabschnitt mit einem Höhenunterschied von bis zu 70 Metern. Jedes Sprint-Rennen dauert etwa 3,5 Minuten. Die meisten Wettkämpfe bestehen aus Vorläufen, Halbfinalen und einem Finale, wobei der schnellste Athlet im Finale zum Sieger erklärt wird.
Die Mixed-Staffel paart einen Mann und eine Frau, die sich abwechseln, mit zwei Aufstiegen (einer davon mit einem Abschnitt zu Fuß) und zwei Abfahrten. Jeder Athlet absolviert die Strecke zweimal, wobei die Frau startet und der Mann das Rennen beendet. Die Teams übergeben auf der Strecke, wobei die schnellste Gesamtzeit die Medaille gewinnt.
Der Austragungsort
Der Wettkampf findet im Stelvio Ski Centre in Bormio im Veltlin statt—am selben Austragungsort wie alle alpinen Ski-Wettbewerbe der Männer bei den Spielen 2026. Die Sprint-Wettkämpfe sind für Donnerstag, den 19. Februar, geplant, die Mixed-Staffel folgt am Samstag, den 21. Februar.
Bormio richtete im Februar 2025 den olympischen Testwettkampf aus und gab den Athleten die Möglichkeit, die Strecke unter Wettkampfbedingungen zu erkunden. Das Stelvio hat Geschichte—sein alpines Pedigree reicht tief, mit Weltcup-Abfahrten, die seit Jahrzehnten die besten Skifahrer testen. Nun wird es eine Disziplin ausrichten, die DNA sowohl mit dem alpinen Skisport als auch mit dem Langlauf teilt, aber dennoch völlig eigenständig bleibt.
Qualifikation
Athleten können Quoten über die ISMF-Weltmeisterschaften 2025 sowie über die olympische Mixed-Staffel-Rangliste und die olympische Sprint-Rangliste während des Qualifikationszeitraums vom 1. November 2024 bis 21. Dezember 2025 erwerben. Bei den Weltmeisterschaften sind Quoten sowohl in der Mixed-Staffel (vier Athleten—zwei Männer und zwei Frauen) als auch in den Sprint-Wettkämpfen (jeweils zwei im Frauen- und Männerwettbewerb) verfügbar.
Die Favoriten
Die Alpennationen—Frankreich, Italien und die Schweiz—haben das Skibergsteigen historisch dominiert. Bei den Weltmeisterschaften 2025 sammelte Frankreich 10 Medaillen, darunter vier Goldmedaillen, während die Schweiz sieben Medaillen und drei Goldmedaillen gewann.
Der Spanier Oriol Cardona Coll gewann Gold im Männer-Sprint bei den Weltmeisterschaften 2025 und sicherte sich den ISMF-Weltcup-Titel, einschließlich des Sieges beim Testwettkampf in Bormio. Die Französin Emily Harrop gewann alle Frauen-Sprint-Wettkämpfe im Weltcup während der Saison 2024-25 und holte sich ihren vierten aufeinanderfolgenden Gesamtweltcup-Titel. Ihr Staffelpartner Thibault Anselmet gewann seinen dritten aufeinanderfolgenden Gesamttitel bei den Männern, und das Duo gewann die Mixed-Staffel bei den Weltmeisterschaften 2025.
Ihre Hauptkonkurrenz in der Mixed-Staffel kommt von Cardona Coll und Ana Alonso Rodriguez, Spaniens Top-Duo, das sowohl den Weltcup-Titel in der Mixed-Staffel als auch den olympischen Testwettkampf gewann.
Was es Bedeutet
Skimo wurde erstmals bei den Olympischen Jugend-Winterspielen Lausanne 2020 eingeführt und gab jüngeren Athleten einen Vorgeschmack vor der vollständigen olympischen Integration. Die Entscheidung, es in Milano Cortina aufzunehmen, spiegelt das Bestreben des IOC wider, Sportarten mit Jugendappeal und Umweltrelevanz hinzuzufügen—Skimos Backcountry-Wurzeln und minimale Infrastrukturanforderungen passen zu diesem Profil.
Für die Athleten, die jahrelang Weltcup-Circuits und obskure Bergrennen absolviert haben, bedeutet Februar 2026 Anerkennung. Die technischen Anforderungen des Sports—Effizienz beim Fellgehen, Transitionsgeschwindigkeit, Abfahrtskontrolle—werden voll zur Schau gestellt. Ob das olympische Rampenlicht den Charakter des Skimo verändert, bleibt abzuwarten, aber an zwei Tagen in Bormio wird die Welt Athleten dabei zusehen, wie sie das tun, was sie schon immer getan haben: so schnell wie menschenmöglich Berge hinauf- und hinunterfahren.





